Stolpersteine gegen das Vergessen

Der Hass auf jüdische Menschen lässt sich über beinahe zweitausend Jahre durch die Geschichte verfolgen. Über die Jahrhunderte mussten Jüdinnen und Juden fast überall um ihr Eigentum, ihre Gesundheit oder gar ihr Leben fürchten. Nirgendwo waren sie dauerhaft wirklich sicher vor Verfolgung. Unter den Ländern, die ihre jüdischen Mitbürger ausgrenzten und verfolgten, sticht Deutschland in ganz besonders grausamer Weise hervor. Es war ein in Magdeburg geborener Deutscher (Wilhelm Marr), der im 19. Jahrundert den Begriff “Antisemitismus” prägte, um stumpfen Hass auf alles Jüdische durch ein wissenschaftlich klingendes Wort zu maskieren und in der bürgerlichen Mitte salonfähig zu machen. Und vor allem waren es Deutsche, die auf der Grundlage dieser Gedanken die industrielle Auslöschung eines ganzen Volkes planten und ausführten und sich damit des bislang wohl schwersten Verbrechens der Menschheitsgeschichte schuldig machten – der Shoah.

Wir haben die historische Pflicht, uns immer wieder der von Deutschen begangenen Verbrechen zu erinnern und dadurch dafür zu sorgen, dass sie sich niemals wiederholen. Zu diesem Zweck befinden sich in Magdeburger Straßen Stolpersteine, die an jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger erinnern, die dort wohnten und ihre Häuser für immer verlassen mussten, um in den Tod zu gehen. Damit diese Stolpersteine deutlich sichtbar bleiben, müssen sie regelmäßig gereinigt werden. Hierfür können Personen und Einrichtungen Patenschaften für einzelne Erinerungssteine übernehmen. Der FDP-Kreisverband Magdeburg ist Pate für die drei Steine, die in der Richard-Wagner-Straße an Anna, Heinz und Martin Frankenstein erinnern. Der Stolperstein für Martin Frankenstein wurde von unserem Kreisverband gespendet, derjenige zum Gedenken an seine Frau Anna von unseren Mitgliedern Dr. Lydia Hüskens und Heiner Sprengkamp. Mit der Patenschaft haben wir die regelmäßige Pflege der drei Stolpersteine übernommen und wollen in regelmäßigen Abständen über das Schicksal der Frankensteins informieren. Anlässlich des Jahrestages der Reichspogromnacht reinigten wir unsere Patensteine und gedachten Martin, Anna und Heinz Frankenstein.

Was wissen wir über die Menschen, an die die drei Steine erinnern?

Martin Frankenstein heiratete 1896 seine Frau Anna, zog mit ihr nach Magdeburg und eröffnete in den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts in der Jakobstraße 28 eine eigene Getreide- und Futtermittelgroßhandlung. Die Firma ist zwei Jahre später am Johanniskirchhof 3, 1900 am Kaiser-Wilhelm-Platz 3 (Universitätsplatz) und ab 1917 in der Richard-Wagner-Straße 1. Die beiden Kinder Charlotte (geboren 1897) und Heinz (geboren 1903) wachsen in einer wohlhabenden Familie in freier Atmosphäre auf. Charlotte beschreibt ihren Vater als freisinnig und modern, belesen und an gesellschaftlichen und politischen Themen interessiert. Die Firma wächst und gibt zahlreichen Mitarbeitern Lohn und Brot. Tochter Charlotte heiratet 1919 und bekommt bald zwei Kinder. Sohn Heinz Frankenstein wird Radiofachmann und Vertreter einer Rundfunkgroßhandlung. Mit Beginn der Nazi-Diktatur verschlechtert sich die Situation der Familie. Das Geschäft liegt am Boden, Martin wird 1935 verhaftet. Diese Umstände führen bei Anna Frankenstein zu einer schweren Depression, sie wird 1935 in die Psychiatrie eingewiesen, wo sie nach auffällig kurzer Zeit unter ungeklärten Umständen stirbt. Nach dem Tod seiner Frau Anna verlässt Martin Frankenstein Magdeburg. Er geht zunächst nach Hamburg, es gelingt ihm jedoch nicht, eine neue Existenz aufzubauen. Er vesucht zu fliehen, wird verhaftet und nimmt sich völlig verzweifelt 1939 das Leben. Die letzte Nachricht von Sohn Heinz Frankenstein datiert auf den 21.08.1942 und kommt aus einem Sammellager in Belgien. Wenige Tage später wird er nach Auschwitz deportiert. Die Tochter Charlotte überlebt den Holocaust. Sie gründet nach dem Krieg in Magdeburg die LDPD mit und wird Stadtverordnete. 1953 verlässt sie Magdeburg und zieht nach Stuttgart.

GEGEN DAS VERGESSEN!